
Anwaltliche Erstberatung
Lassen Sie sich umfassend und invidiuell beraten zu Ihrer rechtlichen Frage. Fast 85% aller rechtlichen Probleme lassen sich bereits mit der anwaltlichen Erstberatung klären.
Die Digitalisierung verändert unsere Kommunikationsweisen grundlegend – auch im Gesundheitswesen. Ärzte sind zunehmend auf sozialen Plattformen vertreten, um mit Patienten zu kommunizieren oder medizinische Informationen bereitzustellen. Doch wie weit reicht ihre rechtliche Verpflichtung zur Erreichbarkeit auf solchen Kanälen? Diese Frage stand kürzlich im Zentrum eines vielbeachteten Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH), das nicht nur für Mediziner, sondern auch für andere Freiberufler wie Rechtsanwälte, Architekten oder Psychotherapeuten große Bedeutung haben könnte.
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war eine Patientin, die eine Hautärztin über deren Instagram-Account kontaktiert hatte, nachdem sie auf eine medizinische Aufklärungspost aufmerksam geworden war. Die Nachricht beinhaltete eine Rückfrage zu einer Behandlungsmöglichkeit, allerdings erhielt die Patientin keine Antwort. Einige Tage später verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand erheblich, woraufhin sie die Ärztin verklagte – mit der Begründung, diese habe durch die öffentliche Kommunikation medizinischer Inhalte Handlungspflichten übernommen und sei daher verpflichtet gewesen, auf ihre Nachricht zu reagieren.
Die Klage durchlief mehrere Instanzen, bis sie schließlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt wurde. Im Zentrum stand die Frage, ob und ab wann ein Arzt durch sein Auftreten in sozialen Medien eine rechtsverbindliche Arzt-Patienten-Beziehung eingeht – und somit haftbar gemacht werden kann.
Nach deutschem Recht – genauer §§ 630a ff. BGB – kommt ein Behandlungsvertrag zwischen einem Patienten und einem Arzt dann zustande, wenn der Arzt eine Heilbehandlung übernimmt oder ihre Durchführung zumindest zusagt. In der Praxis erfolgt dies meist durch telefonische Terminvergabe, eine E-Mail oder das persönliche Erscheinen in der Praxis. Doch wie verhält es sich, wenn sich Patienten über Social-Media-Plattformen direkt an den Arzt oder die Ärztin wenden – womöglich noch ohne deren ausdrückliche Einladung dazu?
Die Gerichte in den Vorinstanzen vertraten unterschiedliche Auffassungen. Das Landgericht hatte der Ärztin eine gewisse Verantwortung zugesprochen, da sie auf Instagram regelmäßig öffentlich zu medizinischen Themen poste und dabei betone, dass ihr die Aufklärung von Patienten ein persönliches Anliegen sei. Das Oberlandesgericht verneinte dies jedoch und stellte fest, dass es sich um ein redaktionelles Angebot ohne individuelle Verpflichtung handele – und somit kein Behandlungskontrakt zustande gekommen sei.
Mit Urteil vom 16. Januar 2024 (Az. VI ZR 189/21) stellte der Bundesgerichtshof klar: Allein durch das Betreiben eines Social-Media-Kanals und das Teilen medizinischer Informationen entsteht noch keine rechtsverbindliche Arzt-Patienten-Beziehung. Der BGH urteilte, dass die Veröffentlichung allgemeiner medizinischer Inhalte keine Verpflichtung zur individuellen Beratung oder zur ständigen Erreichbarkeit über soziale Netzwerke begründe. Eine Nachricht einer Nutzerin über Instagram, die nicht beantwortet wird, sei nicht mit einer echten Kontaktaufnahme über klassische ärztliche Kommunikationskanäle vergleichbar.
Die Richter betonten in ihrer Urteilsbegründung, dass der Informationscharakter eines Social-Media-Beitrags nicht mit einer individuellen medizinischen Beratung gleichgesetzt werden dürfe. Ein Behandlungsvertrag setze eine konkludente oder ausdrückliche Einwilligung beider Seiten voraus, die durch eine bloße Nachricht – insbesondere über ein informelles Medium wie Instagram – nicht gegeben sei. Zudem könne einem Arzt auch nicht zugemutet werden, alle Kanäle ständig und umfassend zu überwachen.
Die Entscheidung schafft endlich Rechtssicherheit in einem wichtigen, bislang rechtlich unscharf definierten Bereich. Für Ärzte und andere Heilberufler ist es nun eindeutig: Die Nutzung von Social Media zur allgemeinen Information begründet keine Verpflichtung zur individuellen Beratung oder Kommunikation. Eine rechtliche Verantwortung entsteht frühestens, wenn der Arzt ausdrücklich einen individuellen Kontakt aufnimmt oder sich klar zu einer Beratung bereit erklärt. Auch ausreichend wäre beispielsweise die Integration von Chat-Funktionen auf der Praxis-Website mit klarer Nutzungsregelung – dies wäre ein bewusst geschaffenes Kommunikationsangebot.
Dennoch müssen Mediziner und auch andere beratend tätige Berufsgruppen bei ihrer Online-Kommunikation Vorsicht walten lassen. Wer auf TikTok, Instagram oder Facebook regelmäßig Inhalte mit medizinischen Ratschlägen postet, muss deutlich machen, dass es sich nur um allgemeine Informationen handelt und keine Beratung erfolgt. Ein Disclaimer mit einem juristisch wasserdichten Hinweistext ist empfehlenswert. Wer dies versäumt, könnte in Grenzfällen doch haftbar gemacht werden – etwa bei grob fahrlässigen Fehlinformationen.
Für viele Ärzte ist das Urteil eine Erleichterung. Es bestätigt, dass sie nicht verpflichtet sind, Instagram-Direktnachrichten oder Facebook-Kommentare in Echtzeit zu beantworten. Die Reichweite digitaler Kanäle ersetzt nicht die etablierte Kommunikation über Sprechstunden, Telefon oder E-Mail. Dennoch ist es aus PR- und Patientensicht weiterhin sinnvoll, soziale Medien sinnvoll und verantwortungsbewusst zu nutzen – allerdings immer mit Distanz zur tatsächlichen Behandlungspraxis.
Eine offene Frage bleibt, wie mit Angeboten umzugehen ist, bei denen tatsächlich Fernbehandlungen ausdrücklich angeboten werden – etwa per WhatsApp oder Online-Sprechstunden im Rahmen von Telemedizin-Angeboten. Hier ist klar: Sobald ein konkreter Behandlungswunsch akzeptiert wird, entsteht ein Behandlungsvertrag mit allen rechtlichen Verpflichtungen inklusive Aufklärungs-, Dokumentations- und Sorgfaltspflichten. Dies war jedoch im entschiedenen Fall nicht gegeben.
Auch außerhalb der medizinischen Welt entfaltet das Urteil Wirkung. Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten oder Coaches, die fachliche Beiträge auf Social Media veröffentlichen, bewegen sich in einer ähnlichen Grauzone. Die Entscheidung des BGH kann analog auf viele dieser Bereiche angewendet werden: Eine bloße Informationsweitergabe über soziale Medien verpflichtet nicht automatisch zur persönlichen Beratung – jedenfalls dann nicht, wenn dies nicht ausdrücklich angeboten wird.
Jedoch können Unternehmen und Freiberufler präventiv tätig werden, um rechtliche Missverständnisse zu vermeiden. Ein Vermerk in der Bio „Keine individuelle Beratung über diesen Kanal“ oder ein klarer Link zu strukturierten Kontaktformularen ist sinnvoll. Ebenso sollten Influencer in medizinischen Themen genau prüfen, wann ihre Inhalte bereits in den Bereich der unerlaubten Fernbehandlung fallen könnten, etwa wenn konkrete Produkte beworben oder Krankheiten gezielt adressiert werden.
Zusammenfassend zeigt das Urteil des BGH, wie wichtig es ist, dass digitale Kommunikation klare Regeln hat. Wer als Experte oder Freiberufler Inhalte im Netz teilt, trägt Verantwortung – aber eben nicht automatisch im Sinne eines Vertragsrechts. Differenzierung, Transparenz und juristische Klarheit sind wichtiger denn je.
Das Urteil des BGH schafft eine wegweisende Klarstellung für viele in der digitalen Öffentlichkeit agierende Experten. Die Nutzung sozialer Medien durch Ärzte zur Information begründet keine Pflicht zur individuellen Rückmeldung auf Patientenanfragen. Solange kein bewusst erklärter Behandlungswille vorliegt, fehlt es an einem Behandlungsvertrag – entsprechende Pflichten bestehen also nicht.
Für Ärzte bedeutet dies eine Erleichterung im Umgang mit digitalen Medien, zugleich aber auch die Verantwortung, ihre Kommunikationskanäle rechtssicher zu gestalten. Unternehmen, Berater und Influencer sollten sich diese Entscheidung ebenfalls zu Herzen nehmen – und ihre digitale Strategie entsprechend anpassen. So lassen sich nicht nur rechtliche Risiken vermeiden, sondern auch Vertrauen und Professionalität in der Online-Kommunikation sichern.
Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).
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