Darf ein Verbrenner auf einem E-Auto-Parkplatz stehen? Verwaltungsgericht Hamburg sorgt für Überraschung

Guido Kluck, LL.M. | 22. Mai 2025

Die Umstellung auf Elektromobilität stellt deutsche Innenstädte, Behörden und Autofahrer gleichermaßen vor neue Herausforderungen. Einer der bisher ungeklärten Streitpunkte: Darf ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor auf einem ausschließlich für Elektrofahrzeuge ausgewiesenen Parkplatz stehen, wenn die Ladesäule vor Ort defekt ist? Das Verwaltungsgericht Hamburg hat nun für Klarheit in einem viel beachteten Fall gesorgt – mit einer Entscheidung, die nicht nur betroffene Autofahrer überraschen dürfte, sondern auch weitreichende Folgen für Verkehrsüberwachung, Stadtplaner und Ordnungsbehörden mit sich bringt.

Ein Verbrenner auf einem E-Auto-Parkplatz – Ausgangspunkt des Rechtsstreits

In dem zugrunde liegenden Fall, der vom Verwaltungsgericht Hamburg verhandelt wurde (Az.: 21 K 3886/24), hatte ein Autofahrer mit einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor auf einem Parkplatz gestanden, der eindeutig mit dem Sinnbild für Elektrofahrzeuge markiert war und ausschließlich für das Laden von E-Autos freigegeben war. Vor Ort befand sich eine Ladesäule, die jedoch – wie später unstreitig festgestellt wurde – zum Zeitpunkt des Parkens nachweislich defekt war.

Der betroffene Autofahrer hatte gegen einen Bußgeldbescheid der Stadt Hamburg geklagt. Er wurde mit dem Argument belangt, dass ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor auf einem reinen E-Auto-Parkplatz nichts verloren habe, unabhängig von der Funktionstüchtigkeit der Ladeinfrastruktur. Die Stadt stützte sich in ihrer Argumentation vor allem auf § 12 Abs. 3 StVO in Verbindung mit der jeweiligen Zusatzbeschilderung, die diesen Parkplatz reglementierte.

Die Rechtslage: Wer darf wo parken?

Gemäß der Straßenverkehrsordnung darf das Halten und Parken auf mit besonderen Hinweisschildern versehenen Straßenflächen nur unter den dort angegebenen Bedingungen erfolgen. In vielen deutschen Städten – und eben auch in Hamburg – sind Parkplätze für Elektrofahrzeuge ausschließlich ausgewiesen für den Ladevorgang. Das bedeutet, dass nur Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb dort parken dürfen, und das auch nur für den Zeitraum, während ihnen der Ladevorgang faktisch möglich ist. Dies soll einerseits die Nutzung der Ladeinfrastruktur sicherstellen und andererseits den Umstieg auf die Elektromobilität fördern.

Das OLG Hamm etwa hatte in einem früheren Beschluss klargestellt, dass das bloße Abstellen eines Elektroautos auf einem Ladeplatz ohne tatsächlichen Ladevorgang als Verstoß gegen die Verkehrsregeln gewertet werden kann (OLG Hamm, Az.: 4 RBs 92/21). Demnach ist es selbst Elektrofahrzeugen nicht erlaubt, Ladeplätze als normale Parkplätze zu nutzen.

In der Konsequenz dieser Rechtsprechung ist es eigentlich ausgeschlossen, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf diesen Sonderflächen abgestellt werden dürfen. Doch der Hamburger Fall erforderte ein differenzierteres Vorgehen.

Was entschied das Verwaltungsgericht Hamburg?

Das Verwaltungsgericht Hamburg sah den Fall anders als die Stadtverwaltung. Im Urteil vom 17. April 2024 (Az.: 21 K 3886/24) entschied es, dass der Bußgeldbescheid unwirksam sei und hob diesen auf.

Die Begründung: Die zugrunde liegende Beschilderung diente dem Zweck, Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge vorzuhalten. Ist diese Infrastruktur aber objektiv nicht nutzbar – etwa weil die Ladesäule technisch defekt ist und sich nicht in Betrieb nehmen lässt – werde der eigentliche Zweck der Parkplatzsperrung für Nicht-Elektrofahrzeuge nicht mehr erfüllt. Das Gericht stellte klar, dass die Beschränkung des Parkraums in solchen Fällen ihren Sinn verliert und daher auch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor dort kurzfristig parken dürfen, ohne eine Ordnungswidrigkeit zu begehen.

Mit anderen Worten: Der Sonderstatus dieser Parkfläche hängt unmittelbar von der tatsächlichen Nutzbarkeit der Lademöglichkeit ab. Ist diese nicht vorhanden, kann auch die Einschränkung nicht greifen, so die richterliche Argumentation.

Die Begründung: Funktionalität als Maßstab

Das Gericht argumentierte weiter, dass das Parken auf einem durch Zusatzzeichen ausschließlich zum Betanken vorgesehene Fläche ihre Wirksamkeit nur dann entfalten könne, wenn das Laden tatsächlich möglich sei. Ist diese Voraussetzung – also die Ladefunktion – technisch nicht gegeben, könne ein Bußgeld nicht verhängt werden, da kein Verstoß gegen den Schutzzweck des Verkehrszeichens vorliege.

Dieser funktionale Ansatz, der die tatsächliche Nutzbarkeit der Ladeinfrastruktur zur Voraussetzung für die Geltung der Parkraumbeschränkung macht, ist juristisch bemerkenswert. Er schiebt einer rigiden, nur auf formale Auslegung beruhenden Rechtsanwendung einen Riegel vor und stellt stattdessen den konkreten Nutzen – nämlich das Laden eines Elektrofahrzeugs – in den Mittelpunkt.

Praxisfolgen für Kommunen und Autofahrer

Für Kommunen und Verkehrsüberwachungsbehörden bedeutet dieses Urteil einen Paradigmenwechsel. Bislang galt die bloße Beschilderung als ausreichend, um E-Auto-Parkplätze exklusiv zu widmen und Verstöße entsprechend zu ahnden. Künftig müssen Städte und Gemeinden nicht nur die Schilder aufstellen, sondern auch sicherstellen, dass die Ladeinfrastruktur funktionsfähig ist, wenn sie Verstöße ahnden wollen.

Auch für Autofahrer – ob mit Elektroantrieb oder Verbrenner – hat das Urteil praktische Bedeutung. Wer künftig auf einem E-Auto-Parkplatz parkt und eine defekte Ladesäule vorfindet, kann sich unter Umständen erfolgreich gegen ein Bußgeld wehren. Voraussetzung dafür ist jedoch der Nachweis der Funktionsunfähigkeit der Ladesäule. Dies könnte z. B. durch Fotos oder einen ausdrücklich dokumentierten Hinweis auf dem Display der Säule erfolgen.

Für Elektroautofahrer bedeutet das Urteil allerdings auch, dass die Exklusivität ihrer Ladeflächen nicht in jedem Fall garantiert ist. Besonders in hoch frequentierten Innenstädten, in denen öffentliche Ladepunkte ohnehin Mangelware sind, könnte dies die Situation weiter verschärfen. Ein Missbrauch durch bewusste Fehlparker ist zwar durch die Nachweispflicht eingeschränkt, aber dennoch realistisch.

Langfristige Auswirkungen auf die Mobilitätswende?

Juristisch zeigt das Urteil die Notwendigkeit flexibler Auslegung und eine Orientierung an praktischen Erwägungen. Politisch jedoch könnte die Entscheidung als Rückschlag für die Förderung elektrisch betriebener Mobilität gewertet werden. Denn sie relativiert die Ausschließlichkeitslogik, die bislang hinter der Ausweisung von Ladeplätzen stand.

Ein denkbarer Kompromiss für die Zukunft könnte darin bestehen, Parkflächen für das Laden von E-Fahrzeugen durch zusätzlich elektronische Hinweise auf den Betriebsstatus der Ladesäule zu ergänzen. So könnten verbotswidriges Parken und unberechtigte Bußgelder gleichermaßen vermieden werden.

Auch ist eine gesetzliche Klarstellung durch den Gesetzgeber denkbar. Die aktuelle Regelung in der StVO ist in ihrer pauschalen Formulierung zu unbestimmt und lässt kaum Raum für Ausnahmen. Das Hamburger Urteil demonstriert eindrucksvoll, wie wichtig Kontextsensitivität im Verkehrsrecht ist.

Fazit: Nicht jede Regel kennt nur Schwarz und Weiß

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat mit seiner Entscheidung vom 17. April 2024 (Az.: 21 K 3886/24) eine Balance gefunden zwischen dem berechtigten Ziel der Förderung der Elektromobilität und dem pragmatischen Umgang mit technischen Mängeln in der öffentlichen Ladeinfrastruktur. Die Entscheidung bietet Anlass zum Nachdenken – sowohl für politische Entscheidungsträger als auch für Autofahrer und Behörden. Ob das Urteil bundesweit Schule macht, bleibt abzuwarten. Klar ist aber: Wer künftig ein Knöllchen fürs Parken auf einem E-Auto-Parkplatz kassiert, sollte genau hinschauen, ob die Ladesäule funktionierte.

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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