Gerichte dürfen keine über­zo­genen Anforderungen an die Darlegung eines Schadens stellen

Guido Kluck, LL.M. | 15. Oktober 2024

Am 30. Juli 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Beschluss VI ZR 122/23 die Anforderungen an die Darlegung von Schadensersatzansprüchen nach Verkehrsunfällen präzisiert. Dieses Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf die Praxis der Schadensregulierung und die Rechte von Geschädigten.

Hintergrund des Verfahrens

Im zugrunde liegenden Fall kollidierte der Kläger am 14. Dezember 2017 mit seinem Mercedes-Benz E63 AMG auf einer Bundesstraße mit einem anderen Fahrzeug. Er machte daraufhin Schadensersatzansprüche geltend und legte ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten vor, das die Schäden dokumentierte. Die Vorinstanzen wiesen die Klage jedoch ab, da sie die Darlegung des Schadens als unzureichend erachteten.

Entscheidung des BGH

Der BGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und stellte klar, dass § 287 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht nur die Beweisführung, sondern bereits die Darlegung des Schadens erleichtert. Demnach muss der Geschädigte zur substantiierten Darlegung des Schadens weder ein Privatgutachten vorlegen noch ein vorgelegtes Gutachten dem Ergebnis der Beweisaufnahme oder der gerichtlichen Überzeugungsbildung entsprechend ergänzen. Es genügt, wenn der Geschädigte den Schaden schlüssig darlegt; die genaue Schadenshöhe kann durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen ermittelt werden.

Begründung des Gerichts

Der BGH betonte, dass die Anforderungen an die Darlegung des Schadens nicht überspannt werden dürfen. § 287 ZPO soll dem Geschädigten die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erleichtern, indem er bereits bei der Darlegung des Schadens entlastet wird. Eine übermäßige Anforderung an die Darlegung würde dem Schutzzweck dieser Norm widersprechen und den Zugang zum Recht unzulässig erschweren.

Konsequenzen für die Praxis

Dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Schadensregulierung. Geschädigte müssen nun nicht mehr befürchten, dass ihre Schadensersatzansprüche aufgrund vermeintlich unzureichender Darlegung abgewiesen werden. Sie können sich darauf verlassen, dass eine schlüssige Darstellung des Schadens genügt und die genaue Schadenshöhe im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens ermittelt wird.

Für Unternehmen, insbesondere Versicherer, bedeutet dies, dass sie sich auf eine veränderte Prozessführung einstellen müssen. Die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche mit dem Argument unzureichender Darlegung abzuwehren, ist durch dieses Urteil erheblich eingeschränkt. Versicherer sollten daher ihre Prüfungs- und Abwehrstrategien überdenken und an die neue Rechtslage anpassen.

Fazit

Der Beschluss des BGH vom 30. Juli 2024 stärkt die Rechte von Geschädigten und erleichtert die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nach Verkehrsunfällen. Durch die Klarstellung, dass § 287 ZPO bereits die Darlegung des Schadens erleichtert, wird der Zugang zum Recht verbessert und die Position von Geschädigten gegenüber Versicherern gestärkt.

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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