Großer BGH‑Rundumschlag: Wie weit reicht das Werkstattrisiko wirklich?

Guido Kluck, LL.M. | 17. September 2025

Die Entscheidungslawine des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16. Januar 2024 hat das Werkstattrisiko neu vermessen. Für Geschädigte, Werkstätten, Versicherer und Unternehmen bedeutet das Wort „Werkstattrisiko“ nach diesen fünf Leitsätzen nicht mehr nur: der Schädiger zahlt. Vielmehr geht es nun um die Reichweite der Ersatzfähigkeit, Beweisregeln, Zahlungsverfahren bei unbezahlten Rechnungen und die Grenzen, wenn Ansprüche abgetreten wurden. Lesen Sie, warum die Urteile (VI ZR 38/22, VI ZR 239/22, VI ZR 253/22, VI ZR 266/22, VI ZR 51/23) für die Praxis richtungsweisend sind und wie Sie Ihre Rechte bzw. Pflichten ab sofort sicher gestalten können.

Was ist das Werkstattrisiko? Rechtliche Grundlagen und § 249 BGB

Das Werkstattrisiko beschreibt die Frage, wer das Risiko trägt, wenn nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall die Reparaturkosten durch eine Werkstatt in Rechnung gestellt werden und der Schädiger einwendet, diese seien überhöht oder nicht erforderlich. Gesetzlich verankert ist der Grundsatz in § 249 Abs. 2 BGB: Ist Schadensersatz wegen Beschädigung einer Sache zu leisten, kann der Gläubiger statt der Wiederherstellung den hierzu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Der Gesetzestext gibt die Richtung vor, er regelt allerdings nicht die oft komplizierten Einzelfragen: Was, wenn die Werkstatt aufgrund unsachgemäßer Arbeiten zu viel berechnet? Was, wenn Rechnungspositionen gar nicht ausgeführt wurden? Wer trägt das Risiko, wenn die Rechnung noch nicht bezahlt ist? Und wie wirkt sich eine Abtretung der Ansprüche auf das Verhältnis zwischen Geschädigtem, Werkstatt und Schädiger aus?

Vor den Entscheidungen des BGH galt bereits die Grundregel: Übergibt der Geschädigte sein Fahrzeug einer Fachwerkstatt, trifft den Schädiger grundsätzlich das Risiko überhöhter oder unwirtschaftlicher Rechnungsansätze. Der Geschädigte braucht als Laie nicht die wirtschaftliche Sorgfalt einer Werkstatt zu ersetzen. Allerdings bestanden auch schon Beschränkungen: Der Geschädigte trägt die Darlegungs‑ und Beweislast für die Unfallbedingtheit der Schäden; bei Auswahl‑ oder Überwachungsverschulden kann sich die Ersatzpflicht vermindern; und nicht jeder bei Gelegenheit mitgearbeitete Posten ist unproblematisch.

Die fünf BGH‑Entscheidungen vom 16.01.2024 – Kurzüberblick (Az. VI ZR 38/22, VI ZR 239/22, VI ZR 253/22, VI ZR 266/22, VI ZR 51/23)

Der VI. Zivilsenat des BGH hat fünf Revisionen gebündelt entschieden. Kernergebnis: Das Werkstattrisiko ist zu Gunsten des Geschädigten weiter zu verstehen, zugleich aber prozessuale und praktische Grenzen gegeben. Die wichtigsten Eckpunkte sind:

1) Das Werkstattrisiko erstreckt sich auch auf Rechnungspositionen für tatsächlich nicht durchgeführte Reparaturen, sofern das für den Geschädigten nicht erkennbar war (VI ZR 253/22). 2) In der Rechtsbeziehung zwischen Geschädigtem und Schädiger verbietet sich eine Beweisaufnahme über die objektive Erforderlichkeit der in Rechnung gestellten Reparaturkosten, solange der Schädiger das Werkstattrisiko trägt (VI ZR 253/22). 3) Der Geschädigte darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Werkstatt einen wirtschaftlichen Weg zur Schadensbeseitigung wählt; er ist nicht verpflichtet, vor Auftragserteilung ein Sachverständigengutachten einzuholen (VI ZR 51/23). 4) Wurde die Rechnung noch nicht beglichen, kann der Geschädigte die Zahlung durch den Schädiger nur an die Werkstatt verlangen, nicht an sich selbst, wenn er das Werkstattrisiko nicht tragen will (VI ZR 253/22, VI ZR 266/22, VI ZR 51/23). 5) Die Möglichkeit, sich bei unbezahlter Rechnung auf das Werkstattrisiko zu berufen, ist nicht auf Dritte übertragbar; also: eine Abtretung an die Werkstatt führt dazu, dass der Zessionar das Werkstattrisiko trägt (VI ZR 38/22, VI ZR 239/22).

Sachverhalte und Entscheidungen im Detail (mit Aktenzeichen)

Die fünf Verfahren zeigen typische Praxisprobleme und wie der BGH diese löst. Im Folgenden werden die jeweils maßgeblichen Sachverhalte, der Prozessverlauf und die Entscheidung des BGH zusammengefasst. Aktenzeichen sind zwingend angegeben.

VI ZR 38/22

Sachverhalt: Nach einem Verkehrsunfall beauftragte die Geschädigte eine Werkstatt mit der Reparatur; die Werkstatt stellte 3.000,16 € in Rechnung, darunter erhebliche Fremdleistungskosten für Lackierarbeiten. Die Haftpflichtversicherung zahlte bis auf einen Restbetrag. Die Geschädigte trat ihre Ansprüche an die Werkstatt ab, die daraufhin den Restbetrag einklagen wollte. Die Gegenseite hielt die Lackierkosten für überhöht.

Entscheidung des BGH: Das Berufungsurteil wurde aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Klägerin (Werkstatt als Zessionarin) konnte sich nicht auf das Werkstattrisiko berufen. Das Berufungsgericht hätte die Kosten der Lackierarbeiten überprüfen müssen. Kernaussage: Ist die Forderung abgetreten, trägt die Zessionarin das Werkstattrisiko; sie ist beweispflichtig hinsichtlich der durchgeführten Arbeiten.

VI ZR 239/22

Sachverhalt: Die Werkstatt reparierte auf der Grundlage eines vorgelegten Gutachtens; es ging um eine Position „Arbeitsplatzwechsel“ iHv 227,31 €, die bestritten wurde, weil angeblich keine Verbringung in eine Fremdlackiererei stattgefunden habe. Die Geschädigte hatte ihren Ersatzanspruch erfüllungshalber an die Werkstatt abgetreten.

Entscheidung des BGH: Die Revision wurde zurückgewiesen. Die Klägerin konnte sich als Zessionarin nicht auf das Werkstattrisiko berufen; das Berufungsgericht durfte die Klägerin für beweisfällig halten, ob der Arbeitsplatzwechsel tatsächlich durchgeführt worden sei. Fazit: Abgetretene Ansprüche führen dazu, dass die Beweislast für die Berechtigung der Rechnung bei der Zessionarin liegt.

VI ZR 253/22

Sachverhalt: Eine Geschädigte ließ ihr Fahrzeug in einem Autohaus instandsetzen; die Rechnung war noch nicht beglichen, die Haftpflichtversicherung erstattete nur teilweise. Die Beklagte verwies auf ein Prüfgutachten eines Drittunternehmens mit geringeren Kosten. Das Amtsgericht ließ ein Sachverständigengutachten zur objektiven Erforderlichkeit der Reparaturkosten erstellen und verurteilte die Beklagte zur Nachzahlung. Das Landgericht wies die Berufung der Klägerin zurück.

Entscheidung des BGH: Das Berufungsurteil wurde aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Besonders prägnant: Der BGH stellte klar, dass das Werkstattrisiko auch solche Rechnungspositionen umfasst, die auf für den Geschädigten nicht erkennbaren, tatsächlich nicht durchgeführten Arbeiten beruhen. Wegen der Entscheidungserheblichkeit verbietet sich im Prozess zwischen Geschädigtem und Schädiger eine Beweisaufnahme über die objektive Erforderlichkeit der abgerechneten Reparaturen. Die Klägerin durfte ihren Klageantrag im Verfahren auf Zahlung an die Werkstatt abändern und sich darauf berufen.

VI ZR 266/22

Sachverhalt: Eine Werkstatt stellte nach Reparatur deutlich höhere Kosten in Rechnung als ein vom Kläger beauftragter Sachverständiger ermittelt hatte. Die Haftpflichtversicherung erstattete nahezu den Werkstattbetrag, jedoch nicht die ganze Differenz; der Kläger hatte die Rechnung noch nicht beglichen.

Entscheidung des BGH: Der Kläger änderte im Revisionsverfahren seinen Antrag auf Zahlung an die Werkstatt. Mit diesem geänderten Antrag, für den er das Werkstattrisiko geltend machte, war die Klage im Wesentlichen begründet. Der BGH hob das Berufungsurteil in diesem Punkt auf und gab der Klage statt. Kernlehre: Auch bei unbezahlter Rechnung ist die Inanspruchnahme des Werkstattrisikos möglich – aber die Zahlung muss zugunsten der Werkstatt gerichtet werden.

VI ZR 51/23

Sachverhalt: Streit um Erstattungsfähigkeit von Kosten für eine behauptete COVID‑19‑Desinfektion, die eine Werkstatt abgerechnet hatte. Die Klägerin hatte die Rechnung noch nicht vollständig bezahlt und nutzte einen sogenannten „Schadensservice aus einer Hand“; die Werkstatt hatte in der Abwicklung auch den Sachverständigen vorgeschlagen.

Entscheidung des BGH: Das Berufungsurteil wurde aufgehoben und zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hätte nicht offenlassen dürfen, ob die Klägerin die Rechnung vollständig beglichen hat. Nur bei vollständiger Zahlung durch den Klägerin kann sie Zahlung an sich selbst verlangen und sich auf das Werkstattrisiko beziehen. Das Gericht betonte aber: Der Geschädigte darf darauf vertrauen, dass die Werkstatt keinen unwirtschaftlichen Weg wählt; die Inanspruchnahme eines von der Werkstatt vorgeschlagenen Sachverständigen begründet nicht automatisch ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden.

Wie begründet der BGH seine Entscheidungen?

Die Rechtfertigung des BGH fußt auf mehreren miteinander verbundenen Erwägungen: Erstens der Schutz des Geschädigten als Laien. Die Schadensbeseitigung erfolgt in einer fremden, für den Laien nicht kontrollierbaren Einflusssphäre. Fachwissen, technische Kenntnisse und Zugang zu Prüfverfahren fehlen dem Geschädigten regelmäßig. Der BGH erkennt deshalb an, dass es dem Geschädigten nicht zugemutet werden kann, die wirtschaftlich richtige Reparatur varianten und die Vollständigkeit der durchgeführten Arbeiten selbst zu kontrollieren.

Zweitens folgt aus diesem Schutzgedanken, dass der Schädiger das Risiko tragen muss, wenn die Werkstatt überhöhte oder unberechtigte Positionen in Rechnung stellt. Das gilt nach den Entscheidungen auch dann, wenn einzelne Positionen gar nicht ausgeführt wurden und dies für den Geschädigten nicht erkennbar war (VI ZR 253/22).

Drittens stellt der BGH prozessuale Regeln auf, die den Rechtsfrieden zwischen Geschädigtem und Schädiger erleichtern: Ist der Schädiger verpflichtet, die Reparaturkosten zu ersetzen, verliert die Beurteilung der objektiven Erforderlichkeit der einzelnen Rechnungspositionen zwischen Geschädigtem und Schädiger im Regelfall Entscheidungserheblichkeit. Dementsprechend verbietet sich eine Beweisaufnahme über die objektive Erforderlichkeit in diesem Verhältnis; die Frage gehört vielmehr in das Verhältnis des Schädigers zur Werkstatt im Wege des Vorteilsausgleichs.

Viertens regelt der BGH die Praxisfrage unbezahlter Rechnungen. Die Entscheidungslogik ist hier: Wenn der Geschädigte die Rechnung noch nicht bezahlt hat, ist ein Vorteilsausgleich durch Abtretung möglicher Gegenansprüche gegen die Werkstatt an den Schädiger nur möglich, wenn der Geschädigte sein Gläubiger bleibt. Deshalb fordert der BGH, dass der Geschädigte die Zahlung vom Schädiger an die Werkstatt verlangen kann (Zug‑um‑Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche gegen die Werkstatt). Will der Geschädigte Zahlung an sich selbst, trägt er das Werkstattrisiko und muss im Streitfall beweisen, dass die Arbeiten durchgeführt wurden und die Kosten gerechtfertigt waren (VI ZR 253/22, VI ZR 266/22, VI ZR 51/23).

Fünftens stellt der BGH die Abtretungsfrage klar: Die Möglichkeit, sich bei unbezahlter Rechnung auf das Werkstattrisiko zu berufen, ist nicht auf Dritte übertragbar. Eine Abtretung der Forderung zu Gunsten der Werkstatt verändert aus Sicht des BGH die Prozesslage zu Ungunsten des Schädigers: Mit der Abtretung geht die Beweislast auf die Zessionarin über. § 399 BGB schützt den Schädiger davor, dass die Forderung an Dritte abgetreten wird, wenn dadurch die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger inhaltlich verändert würde. Der BGH sieht ein schutzwürdiges Interesse des Schädigers daran, dass der Geschädigte sein Gläubiger bleibt, damit ein Vorteilsausgleich praktikabel bleibt (VI ZR 38/22, VI ZR 239/22).

Konsequenzen für Geschädigte und Verbraucher

Die BGH‑Urteile stärken die Position des Geschädigten deutlich: Er darf sein Fahrzeug in einer Fachwerkstatt instandsetzen lassen und in der Regel auf Erstattung der von der Werkstatt gestellten Rechnung durch den Schädiger vertrauen, selbst wenn einzelne Positionen überhöht sein sollten oder – unter engen Voraussetzungen – gar nicht ausgeführt wurden. Dennoch gibt es praktikable Grenzen und Handlungsregeln, die Sie kennen sollten:

Wenn die Rechnung bereits bezahlt ist, kann der Geschädigte Zahlung an sich vermindern oder gesamte Zahlung von Schädiger verlangen; in diesem Fall darf er Zahlung an sich selbst beantragen und sich auf das Werkstattrisiko berufen. Wurde die Rechnung noch nicht bezahlt, sollte der Geschädigte, wenn er nicht das Werkstattrisiko tragen will, die Zahlung vom Schädiger Zug‑um‑Zug an die Werkstatt verlangen und sich auf Abtretung etwaiger Regressansprüche gegen die Werkstatt einlassen. Damit ist ausgeschlossen, dass er sich später auf eine teilweise Nichtzahlung gegenüber der Werkstatt beruft und zugleich den vollen Betrag vom Schädiger behält.

Der Geschädigte muss weiterhin für die Kausalität einstehen: Er trägt die Darlegungs‑ und Beweislast dafür, dass die reparierten Schäden unfallbedingt sind. Arbeiten, die „nur bei Gelegenheit“ vorgenommen wurden, sind nicht vom Werkstattrisiko erfasst. Legen Sie deshalb vor Reparaturbeginn möglichst eine Fotodokumentation des Schadenszustands vor und lassen Sie in schwierigen Fällen ein Gutachten erstellen. Besonders wichtig ist die Dokumentation bei Positionen, die äußerlich nicht erkennbar sind (z. B. Elektronik, versteckte Teile), da hier die Entscheidung des BGH greift: der Geschädigte darf auf die Werkstatt vertrauen, aber er sollte im Zweifel Belege sammeln.

Konsequenzen für Werkstätten und Kfz‑Betriebe

Die Urteile stärken zwar die Position redlicher Werkstätten, fordern aber zugleich erhöhte Sorgfalt in Dokumentation und Nachweisen. Werden Ansprüche gegenüber Versicherern aus abgetretenem Recht geltend gemacht, liegt das Werkstattrisiko bei der Werkstatt als Zessionarin. Praktische Schlussfolgerungen für Werkstätten lauten:

Führen Sie lückenlose Dokumentationen durch: fotografische Vorher‑/Nachher‑Belege, Arbeitsberichte mit Zeitaufwand, Materialnachweis, Lieferscheine für Fremdleistungen, Protokolle über durchgeführte Maßnahmen. Wenn Positionen abgerechnet werden, die nicht unmittelbar sichtbar sind, sichern Sie schriftlich die Durchführung (z. B. Teilebestellbestätigungen, Rückmeldeprotokolle). Erstellen Sie detaillierte Rechnungspositionen: Gliedern Sie Arbeitszeit, Material, Fremdleistungen und nennen Sie klare Beschreibungen der durchgeführten Maßnahmen.

Überdenken Sie Abtretungen: Die Praxis der Abtretung von Forderungen des Kunden an die Werkstatt kann durch die BGH‑Rechtsprechung nachteilig werden – als Zessionarin tragen Sie dann das Werkstattrisiko und die Beweislast. Vereinbaren Sie deshalb Vertragsklauseln mit dem Kunden, die Rückabtretung regeln, falls der Versicherer die Forderung kürzt. Legen Sie im Werkstattvertrag fest, inwieweit der Kunde Regressansprüche innehat und ob eine Rückabtretung zur Anwendung kommt.

Konsequenzen für Versicherer und Schadenregulierung

Die Versicherer bleiben zwar berechtigt, überhöhte Rechnungspositionen zu monieren. Die BGH‑Entscheidungen begrenzen jedoch die Möglichkeiten, im Verhältnis zum Geschädigten eine umfangreiche Beweisaufnahme über objektive Erforderlichkeit einzuleiten. Versicherer müssen daher ihre Prozesse und Deckungsprüfungen anpassen:

Prüfungsschritte sollten vor allem im Verhältnis zur Werkstatt erfolgen: Fordern Sie Abtretungen und nutzen Sie den Vorteilsausgleich, wenn möglich. Bei unbeglichenen Rechnungen: Bestehen Sie auf Zahlung an die Werkstatt Zug‑um‑Zug gegen Abtretung etwaiger Regressansprüche, um eine doppelte Belastung oder ungerechtfertigte Bereicherung des Geschädigten zu vermeiden.

Investieren Sie in Prüfinfrastrukturen: Wenn Sie Zweifel an einzelnen Rechnungspositionen haben, sollten Sie diese gegenüber der Werkstatt klären und nicht im Verfahren gegen den Geschädigten führen, denn der BGH schränkt die Beweisaufnahme zwischen Geschädigtem und Schädiger ein. Holen Sie Prüfgutachten ein, dokumentieren Sie Prüfberichte und steuern Sie Regressforderungen im Verhältnis Werkstatt ↔ Versicherer.

Prozesstaktik und konkrete Handlungsempfehlungen

Für Geschädigte ist eine sinnvolle Prozess‑ und Verhaltensweise entscheidend: Fordern Sie vor Auftragserteilung bei Unsicherheit eine Dokumentation und ggf. ein Gutachten an, erstellen Sie eine lückenlose Foto‑ und Mängeldokumentation, zahlen Sie Rechnungen nur, wenn Sie den Zahlungsfluss genau verstehen. Wenn die Rechnung noch nicht bezahlt ist und Sie nicht das Werkstattrisiko tragen wollen, stellen Sie den Zahlungsantrag Zug‑um‑Zug an die Werkstatt. Wenn Sie bereits gezahlt haben, können Sie die Zahlung an sich selbst verlangen und sich auf das Werkstattrisiko berufen.

Für Werkstätten: Vermeiden Sie, so lange wie möglich, Klagen aus abgetretenem Recht, es sei denn, Sie können alle Arbeiten lückenlos belegen. Vereinbaren Sie mit dem Kunden Rückabtretungs‑ oder Sicherungsklauseln, die eine spätere Rückübertragung der Forderungen an den Geschädigten ermöglichen, damit der Vorteilsausgleich gewahrt bleibt.

Für Versicherer: Kommunizieren Sie frühzeitig mit der Werkstatt, verlangen Sie Einsicht in konkrete Nachweise und achten Sie auf die richtige Prozessführung – die Klärung objektiver Erforderlichkeit in Verfahren gegen den Geschädigten ist nach BGH in vielen Fällen unzulässig. Setzen Sie stattdessen auf ein systematisches Regressmanagement gegenüber der Werkstatt.

Schlussfolgerung

Die Entscheidungen des BGH vom 16. Januar 2024 (VI ZR 38/22, VI ZR 239/22, VI ZR 253/22, VI ZR 266/22, VI ZR 51/23) konkretisieren das Werkstattrisiko zugunsten des geschädigten Laien, erweitern den Schutz auf nicht ausgeführte, aber berechnete Arbeiten und regeln prozessual bedeutsame Fragen zur Beweisaufnahme sowie zur Zahlung bei unbezahlten Rechnungen und Abtretungen. Die Kernaussage lautet: Geschädigte dürfen darauf vertrauen, dass Werkstätten wirtschaftlich arbeiten; Schädiger tragen das Risiko überhöhter Rechnungen; die Auseinandersetzung über objektive Erforderlichkeit gehört grundsätzlich in das Verhältnis Schädiger ↔ Werkstatt und nicht zwingend in das Verfahren zwischen Geschädigtem und Schädiger.

Handeln Sie jetzt – LEGAL SMARTs Unterstützung

Die neuen BGH‑Leitsätze haben unmittelbare praktische Auswirkungen. LEGAL SMART unterstützt Sie pragmatisch: Wir prüfen Ihren Fall, helfen, die richtige Prozess‑ und Regulierungsstrategie zu entwickeln und begleiten Sie bei der gerichtlichen Geltendmachung oder Abwehr von Forderungen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Dokumentation, Zahlungsanträge und Abtretungsregelungen rechtssicher gestalten, damit Sie Ihre Ansprüche durchsetzen oder Risiken vermeiden können.

Wichtig: Wenn Sie eine Werkstattrechnung erhalten, handeln Sie zeitnah: Sichern Sie Belege, fotografieren Sie den Schaden, bewahren Sie Rechnungen und Korrespondenz auf – und fordern Sie rechtlichen Rat, bevor Sie Entscheidungen treffen, die später schwierig revidierbar sind.

Jetzt teilen:

Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

ÜBER DIESEN AUTOR ARTIKEL VON DIESEM AUTOR

Das könnte Sie auch interessieren

Holen Sie sich Unterstützung

SIE HABEN NOCH FRAGEN?

Online Termin vereinbaren

Buchen Sie direkt online Ihren Termin für eine kostenlose Erstberatung. Der für Sie zuständige Rechtsanwalt wird Sie dann zu dem von Ihnen ausgewählten Termin anrufen.

Antworten per WhatsApp

LEGAL SMART beantwortet rechtliche Fragen auch per WhatsApp. Schreiben Sie uns einfach an und stellen Sie Ihre Frage. Antworten gibt es anschließend direkt auf Ihr Handy.

LEGAL SMART Anwaltshotline

Viele Fragen lassen sich mit einem Profi in einem kurzen Gespräch rechtssicher klären. Mit der LEGAL SMART Anwaltshotline steht Ihnen unser Anwaltsteam für Ihre Fragen zur Verfügung. Bundesweite Beratung über die kostenlose Anwaltshotline unter 030 - 62 93 77 980.

LEGAL SMART RECHTSPRODUKTE

ANWALTLICHE LEISTUNG ZUM FESTPREIS

LEGAL SMART Rechtsprodukt Markenverlängerung
49,00 €

Markenverlängerung

Schützen Sie Ihre Marke auch über die gesetzliche Schutzfrist von 10 Jahren hinaus. Verlängern Sie Ihren Markenschutz einfach online.

LEGAL SMART Rechtsprodukt Vorsorgevollmacht
99,00 €

Vorsorgevollmacht

Bestimmen Sie selbst, wer Sie vertreten soll, wenn Sie Ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie hierzu alles selbst bestimmen.

MEHR PRODUKTE Anwaltliche Leistung zum Festpreis

LEGAL SMART Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

LEGAL SMART ist die Legal Tech Kanzlei für wirtschaftsrechtliche Themen. Durch konsequente Prozessoptimierung interner und externer Prozesse bieten wir neue Lösungen für verschiedene Fragestellungen. So ist das Recht für jeden zugänglich; schnell, digital und trotzdem mit der Expertise und Kompetenz einer erfahrenen Wirtschaftsrechtskanzlei. Denn Legal Tech ist mehr als nur der Einsatz von Technologie. Legal Tech ist die Bereitstellung juristischer Kompetenz.