Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen: Rechtsprechung zum Erschüttern des Beweiswerts

Guido Kluck, LL.M. | 23. April 2025

In der dynamischen Welt des Arbeitsrechts ist das Thema der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein ständiger Begleiter. Die rechtlichen Grundlagen und die mögliche Erschütterung des Beweiswerts solcher Bescheinigungen sind nicht nur für Rechtsanwälte, sondern auch für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und interessierte Laien von großem Interesse. Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über die aktuelle Rechtsprechung und erläutert, wie Gerichte den Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bewerten und welche Implikationen dies für die Praxis hat.

Einleitung

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen besitzen in der Regel einen hohen Beweiswert, der es Arbeitnehmern ermöglicht, ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit geltend zu machen. Doch in jüngerer Zeit hat sich die Rechtsprechung gewandelt: Die Erschütterung dieses Beweiswerts ist unter bestimmten Umständen leichter möglich geworden. Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und der Landesarbeitsgerichte (LAG) zeigen auf, unter welchen Voraussetzungen Arbeitgeber Zweifel an der Richtigkeit solcher Bescheinigungen geltend machen können.

Rechtsgrundlage und bisherige Rechtsprechung

Nach den Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) trägt der Arbeitnehmer die Beweislast für seine Arbeitsunfähigkeit. Die Vorlage einer ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erfüllt diese Anforderung in der Regel. Jedoch kann der Arbeitgeber den Beweiswert der Bescheinigung in Frage stellen, wenn tatsächliche Umstände vorliegen, die Zweifel an der Unfähigkeit zur Arbeitsausführung begründen.

Die aktuelle Entwicklung in der Rechtsprechung

Aktuelle Urteile des BAG und verschiedener LAGs haben verdeutlicht, dass sich Gerichte zunehmend offen zeigen gegenüber Argumenten, die den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern könnten. Das BAG-Urteil vom 8. September 2021 (5 AZR 149/21) hat hierbei einen wichtigen Präzedenzfall geschaffen. Es besagt, dass zeitliche Überschneidungen, eigene Arbeitsausführungen während einer Krankmeldung oder die rechtzeitige Vorlage von Bescheinigungen zur Kündigungsfrist erhebliche Zweifel am Beweiswert begründen können.

Beispiele aus der Rechtsprechung

Ein Beispiel liefert das LAG Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Urteil vom 15. August 2023 (5 Sa 12/23), das die Erschütterung des Beweiswerts aufgrund einer Krankmeldung nach Kündigung behandelt. Hier stellt sich die Frage, ob die Bescheinigung das Arbeitsverhältnis passgenau abdeckt und ob vorbereitende Äußerungen eine Vorwegnahme der Arbeitsunfähigkeit nahelegen.

Die Rechtsprechung zeigt dabei klar, dass Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht allein durch den zeitlichen Zusammenhang zur Kündigungsfrist erschüttert werden können. Häufig sind weitere Indizien wie beispielsweise abweichendes Verhalten oder Aussagen des Arbeitnehmers entscheidend.

Konsequenzen für die Praxis

Die neueste Rechtsprechung bringt für Arbeitgeber die Möglichkeit, genauer auf die Umstände einer Krankmeldung zu achten. Diese können mit den richtigen Argumenten gegebenenfalls den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern und so eine Leistungsverweigerung rechtfertigen. Gleichwohl bleibt die Hürde für Arbeitgeber, den Beweiswert zu erschüttern, weiterhin hoch. Beschäftigte sollten sich bewusst sein, dass übermäßige Krankmeldungen oder unglaubwürdige Zeitabdeckung vermieden werden sollten, um nicht in den Verdacht der Arbeitsfähigkeit bei bescheinigter Arbeitsunfähigkeit zu geraten.

Schlussfolgerung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen weiterhin geschützt ist, jedoch unter bestimmten Umständen angezweifelt werden kann. Gerichte fordern von Arbeitgebern zwar keine übermäßigen Beweise, verlangen aber schlüssige Argumentationen, um den Beweiswert erfolgreich zu erschüttern.

Handlungsanweisung

Kleinunternehmen und Selbstständige sollten interne Prozesse zur Arbeitsunfähigkeitsmeldung evaluieren und sich der neuesten Rechtsprechung bewusst sein, um rechtzeitig handeln zu können. LEGAL SMART bietet fundierte Beratung und Unterstützung bei der Einschätzung und Handhabung solcher rechtlicher Herausforderungen.

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Guido Kluck, LL.M.

Rechtsanwalt Guido Kluck LL.M. ist Partner der Kanzlei LEGAL SMART am Standort Berlin. Er ist Ansprechpartner für das Recht der neuen Medien sowie für die Bereiche Wettbewerbsrecht, Markenrecht, Urheberrecht, IT-Recht, Vertragsrecht und das Datenschutzrecht (DSGVO).

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